- Konjunkturpolitik: Konjunkturtheorien
- Konjunkturpolitik: KonjunkturtheorienBis zur großen Depression Anfang der 30er-Jahre in den USA war die herrschende Wirtschaftstheorie von den Selbstheilungskräften des Marktes überzeugt. Abweichungen des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom Produktionspotenzial (der bei Vollauslastung aller Kapazitäten maximal mögliche Ausstoß oder Output) konnten bestenfalls von kurzer Dauer sein. Die analytische Sicht war langfristig ausgerichtet. Folglich bot die Wirtschaftstheorie keine Erklärung für die lange und hohe Arbeitslosigkeit der großen Depression. Mit der keynesianischen Revolution (nach J. M. Keynes) verlagerte sich das Analyseinteresse auf die kurze Frist, und es wurde die Bedeutung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hervorgehoben. Im Gegensatz zur Neoklassik geht die keynesianische Theorie von einem Unterbeschäftigungsgleichgewicht aus, d. h., es besteht unfreiwillige Arbeitslosigkeit bei nicht voll ausgelasteten Kapazitäten. Die Ursache für die Arbeitslosigkeit sahen die keynesianischen Ökonomen in kurzfristig starren Geldlöhnen. Konjunkturelle Schwankungen resultieren aus veränderten Erwartungen über die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, d. h. aus veränderten Einschätzungen der künftigen Entwicklung der Rendite einer Investition. Da nach keynesianischer Sicht die Geldpolitik wirkungslos ist, muss die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch expansive staatliche Aktivitäten angeregt werden, die über einen sich selbst verstärkenden Anpassungsprozess (Multiplikator-Akzelerator) die Wirtschaft dann wieder zur Vollbeschäftigung bringt.Die monetaristische GegenrevolutionDie keynesianische Sichtweise wurde Mitte der 70er- Jahre erschüttert, weil sie das Problem der Stagflation nicht erklären konnte. Dies führte zu einer Wiederbelebung der neoklassischen Sicht. Milton Friedman (* 1912), Mitbegründer des Monetarismus, betonte insbesondere die Wirksamkeit der Geld- gegenüber der Fiskalpolitik und hob die Bedeutung hervor, die den Erwartungen hinsichtlich der künftigen Preisentwicklung zukommt. Der Kerngedanke für konjunkturelle Schwankungen liegt in Friedmans Annahme, dass die Arbeitnehmer das laufende Preisniveau nur ungenau wahrnehmen, also über eine unvollständige Information verfügen (Täuschungsmodell), wohingegen die Arbeitgeber ihre Preise genauer kennen. Aufgrund dieser Informationsasymmetrie fragen die Unternehmen bei steigenden Preisen mehr Arbeit nach, da der Reallohn gesunken ist. Die Arbeitnehmer interpretieren steigende Geldlöhne infolge der erhöhten Arbeitsnachfrage aber als Reallohnsteigerungen und bieten mehr Arbeit an. Erst wenn sie gemerkt haben, dass ihre Preisvorstellungen falsch waren, revidieren sie ihre Entscheidungen wieder.Die neue klassische Makroökonomie und die PolitikineffektivitätWie bei Friedman wird auch hier angenommen, dass eine »Märkträumung« (Angebot und Nachfrage sind ausgeglichen) erfolgt und die Wirtschaftssubjekte nur über unvollständige Informationen verfügen. Zusätzlich wird unterstellt, dass die Marktteilnehmer rationale Erwartungen besitzen, d. h., vor dem Hintergrund begrenzter Informationen treffen sie die jeweils beste Prognose. Somit kommt den Erwartungsfehlern eine entscheidende Rolle bei der Erklärung konjunktureller Schwankungen zu. Die zentrale Modellgleichung ist eine gesamtwirtschaftliche Angebotsfunktion, in der der Output, gemessen als Abweichung vom Potenzialoutput, positiv auf Abweichungen der tatsächlichen von der rational erwarteten Preisentwicklung reagiert. Eine höhere Inflationsrate als die erwartete führt zu einem Anstieg des Outputs über den Potenzialoutput und umgekehrt. Rationale Erwartungen implizieren, dass erwartete Geldmengenänderungen bzw. Preisänderungen keinen systematischen Einfluss auf die Entwicklung des Outputs haben, da ihre möglichen Effekte bereits im Kalkül der Marktteilnehmer enthalten sind. Somit besteht für die Geldpolitik keine Möglichkeit, stabilisierend in den Konjunkturverlauf einzugreifen. Für einen derartigen Wirkungszusammenhang wurde die Bezeichnung Politikineffektivität geprägt.Neue keynesianische MakroökonomieDiese Denkrichtung geht davon aus, dass die Markträumungsmodelle konjunkturelle Schwankungen nicht erklären können, und stellt stattdessen auf kurzfristig starre Geldlöhne und Preise ab. Hierfür wurden in den letzten Jahren mehrere mikroökonomische Begründungen geliefert. Aus diesen Annahmen folgt, dass die kurzfristige Gesamtangebotskurve nicht, wie es im klassischen Modell unterstellt wird, senkrecht verläuft, sodass der Gesamtnachfrage eine entscheidende Bedeutung bei der Bestimmung des BIP zukommt. Ein Argument, warum sich Preise und Löhne nicht sofort anpassen, besteht in den Kosten, die diese Anpassung verursachen (Drucken von Katalogen, neue Lohnverhandlungen usw.), sodass Löhne und Preise immer nur von Zeit zu Zeit angepasst werden.
Universal-Lexikon. 2012.